Ich tippe diese Zeilen auf dem Autobeifahrersitz, während ich mich durch die Schweiz auf dem Weg gen Süden nach Italien befinde. Schweiz, Italien?! In COVID-19 Zeiten? Tatsächlich hat es der Veranstalter des Race Across Italy geschafft, das Event, das auch offizielle Europameisterschaft der World Ultracycling Association der 500-Meilen Kategorie ist, in den italienischen Kalender der Sportevents mit nationaler Bedeutung aufnehmen zu lassen. Das bedeutet konkret, dass die sonst geltende Quarantäne bei Einreise, das Reiseverbot im Land und auch die nächtlich geltende Ausgangssperre für Teilnehmer der Sportveranstaltung und deren Crew, aufgehoben sind. Und so bin ich jetzt nach langer unfreiwilliger Wettkampfabstinenz endlich einmal wieder auf dem Weg zu einer Startlinie 🙂


Da es sich um Ultracycling mit Einzelstart, Windschattenverbot und einem überschaubaren Teilnehmerfeld mit weniger als 80 Startern handelt, und auch das Hygienekonzept absolut überzeugend ist, habe ich auch ein gutes Gefühl mich ins Abenteuer Race Across Italy zu stürzen. Und wie es sich für ein „richtiges Abenteuer“ gehört, haben wir einen Papierstapel mit bürokratischen Ausnahmegenehmigungen, negativen Testergebnissen und Haftungsfreistellungen in diversen Sprachen im Handschuhfach 😉
Wer ist eigentlich wir? Ich starte in der Solo self-supported Kategorie des RAI 775. Während des Rennens ist also keine externe Unterstützung für mich erlaubt. Da ich pandemiebedingt die 1.100km weite Hin- und Rückreise allerdings mit dem Auto statt dem Flieger bewältige, habe ich mir für die Fahrt Verstärkung am Steuer gesucht. Und wer wäre da besser geeignet als mein bereits zweifach geimpfter Vater, der sich dankenswerterweise angeboten hat, sich am Steuer mit mir abzuwechseln.
Die Strecke / Livetracking
Vor Ort erwartet mich ein spannender ca. 775km langer Rundkurs von Silvi (TE) an der Ostküste einmal quer durch Italien zur Westküste und zurück:

Versüßt wird einem die schöne Landschaft mit ca. 11.000 Höhenmetern, die sich den Startern in Form von einigen größeren und vielen kleinen Anstiegen in den Weg stellen.
Den genauen Streckenverlauf und auch das Live Tracking (Dot Watching) während dem Event könnt ihr unter folgendem Link sehen:
https://www.followmychallenge.com/live/rai775
Ablauf
Nach der langen Anfahrt heute, werde ich am Donnerstag vor Ort noch den obligatorischen COVID-19 Test absolvieren, das Equipment präparieren und mich auf einer letzten lockeren Trainingsrunde akklimatisieren. Am Freitag rolle ich dann um 9:56Uhr von der Startrampe. Da es sich um ein Straßen- und kein MTB-Rennen handelt, sollte ich, wenn unterwegs alles glatt läuft, am Samstagabend im Ziel eintrudeln. Die obligatorische Zielpizza wird mich auf jeden Fall motivieren nicht zu trödeln, um nicht Gefahr zu laufen, dass die Pizzeria im Zielbereich schon geschlossen hat.
Ich freue mich aber natürlich auch wieder über „Anfeuerungsrufe“ von euch aus der Ferne über die Social-Media Kanäle, wenn es bis zur Pizza als alleinige Motivation noch etwas weit ist. 😉
Vorbereitung
Materialseitig darf endlich auch mein Orbea ORCA erstmals Rennluft schnuppern. Ausgestattet mit Wolfpack Pneus, Sponser Verpflegung, Royal Bike Wear Klamotten und einer optimierten Sitzposition von meinem Coach Thorsten Witt (https://witt-training.de/) wird es auf jeden Fall nicht am Equipment scheitern 😊

Die körperliche Vorbereitung war allerdings die letzten Wochen nochmals richtig spannend. Am 16.4. habe ich beim Aufstehen von einem Tisch saudumm mein linkes Bein am Tischfuß eingefädelt. Die Schmerzen beim Weglaufen, als mein Fuß einfach stehen geblieben ist, hielten sich unmittelbar danach noch im Rahmen. So dass ich eigentlich dachte, dass sich das Problem mit ein oder zwei Tagen humpeln von allein erledigen würde. Als über Nacht die Schmerzen aber massiv wurden, und ich auch liegend keine schmerzfreie Position mehr einnehmen konnte, hat mich die Sorge am nächsten Tag doch zum Arzt getrieben. Die erste Diagnose mit Verdacht auf knöchernen Bandabriss an der linken Hüfte hat mich ziemlich schockiert. Zum Glück gab es nach weiteren Untersuchungen die kommenden Tage (2x Röntgen, 1x MRT) Entwarnung. „Nur“ eine Zerrung an der Verbindung des Rectus Femoris mit dem Becken, die sich entzündet bzw. Flüssigkeit angelagert hatte. Nach ein paar Tagen sind die akuten Schmerzen abgeklungen, was zum einen ein echter Booster für meine Nachtruhe war, und zum anderen auch den Start mit leichter, regenerativer Bewegung auf der Rolle wieder ermöglicht hat. Zum Glück verlief die weitere Heilung im Turbogang und ich konnte bereits am darauffolgenden Wochenende wieder stärker belasten und nach und nach auch die Trainingsintensität wieder hochfahren. Die Zwangspause kam zwar zur Unzeit in der letzten heißen Phase der Vorbereitung, aber ich hoffe inständig, dass ich während dem Rennen keine Probleme mehr bei der langen Belastung bekommen werde. Ob es geklappt hat, wissen wir dann am Samstag – drückt mir die Daumen.