Everesting – Don’t stop when you’re tired. Stop when you’re done.

Everesting hoch zur Langmartskopfhütte / 337,2km / 9.251 Höhenmeter / a real challenge

Motivation

Die sportliche Saison, wie ich sie eigentlich einmal geplant hatte, hat sich dank SARS-CoV-2 leider komplett in Luft aufgelöst. In Anbetracht der gesundheitlichen, ökonomischen und gesellschaftlichen Auswirkungen ist die Absage von Radsportveranstaltungen und damit der Einfluss auf mein sportliches Hobby ganz sicher nur von untergeordneter Bedeutung. Das Stecken von ambitionierten sportlichen Zielen, die Vorbereitung darauf und am Ende auch deren Verwirklichung bestimmt aber einen nicht unwesentlichen Teil meines Alltags und macht mich ganz platt formuliert im Paket mit einem abwechslungsreichen Familienleben und einem herausfordernden Job glücklich.

Und wenn in diesem Dreiklang ein Aspekt nachhaltig gestört ist, dann muss gehandelt werden…

Meine großen Ziele (Italy Divide Anfang Mai, 24h MTB EM in Tschechien, 24h Rad am Ring) sind nachvollziehbarer Weise alle abgesagt. Insofern braucht es zumindest kurzfristig andere Motivatoren, um das Training durchzuziehen. Und meine Suche nach sportlicher Motivation, die sich ohne Reisen verwirklichen lässt und kompatibel mit den aktuellen Kontakteinschränkungen ist, hat mich zum Everesting geführt.

Dabei sucht man sich einfach einen Anstieg und fährt diesen so häufig hoch und wieder runter, bis man das Äquivalent zur Höhe des Mount Everest (8848m) kumuliert hat. Ihren Ursprung hat diese mehr oder weniger sinnvolle Freizeitbeschäftigung in Australien. Und wer in die offizielle Everesting Hall of Fame aufgenommen werden möchte, der sollte sich an die Regeln der Australier halten: https://everesting.cc/the-rules/

Damit das Ganze nach einem Everesting nicht an Reiz verliert, gibt es dabei noch verschiedene Varianten, die einem nach und nach zusätzliche Badges in der Hall of Fame einbringen. Mein erstes Everesting habe ich am 8. März noch vor dem Lockdown als reine Saisonvorbereitung auf der Straße absolviert (https://bit.ly/35nVMK4). Aber nachdem klar war, dass die „echten“ Rennen abgesagt sind, habe ich mich als Mountainbiker natürlich gleich nach einer Wiederholung abseits geteerter Wege und dem damit verbundenen Soil-Badge gesehnt 😉

 Strecke und Vorbereitung

Der Entschluss kam nach anfänglicher sportlicher Orientierungslosigkeit im Corona-Lockdown allerdings relativ kurzfristig. Der Empfehlung eines Freundes folgend, habe ich eine Strecke in der Nähe von Bad Wildbad im Schwarzwald auserkoren (https://www.strava.com/activities/3314178943).

StravaSegment
Quelle: Strava

Vom Eyachtal geht es dabei ca. 6km und 330hm hoch zur Langmartskopfhütte, was einer durchschnittlichen Steigung von nur 5% entspricht. Da wenig Zeit von der Entscheidung bis zur Ausführung war und die Strecke mit dem Auto ca. 1 Fahrstunde von meinem Wohnort liegt, habe ich darauf verzichtet mir die Verhältnisse vor Ort vorher anzuschauen. Mutig oder dumm? Rückblickend wohl eher letzteres 😉 Aber neben der Strecke, hat der Tag auch noch die ein oder andere Überraschung bereitgehalten.

Da die Zeit unmittelbar vor dem Event beruflich auch alles andere als entspannt war und die komplette Equipmentvorbereitung am Vorabend stattfinden musste, bin ich am Freitag 17.4. mit einem ordentlichen Schlafdefizit nach nur drei Stunden um 4 Uhr morgens wieder aufgestanden, um mein Frühstück zu „genießen“ und mit dem Auto zum Startpunkt zu fahren. Die Entscheidung für einen Wochen- und damit Urlaubstag ist dabei bewusst gefallen, um während dem Everesting in Zeiten von #socialdistancing möglichst wenig anderen Freizeitverkehr auf meiner Everestingstrecke zu haben. Auf eine Vorankündigung auf facebook & Co habe ich deshalb auch verzichtet. Nur meine Familie und mein witttraining ORBEA Team wissen natürlich Bescheid.

Es geht los

Und so führe ich mein Orbea OIZ M-LTD mit dem Sonnenaufgang um kurz nach 6 Uhr das erste Mal seiner Bestimmung abseits geteerter Straßen zu. Die ersten Meter fühlen sich komisch an, da die Steigung sehr gering ist und es auf dem Schotter hier wunderbar rollt. Fast so, als würde es gar nicht bergauf gehen. Es ist zwar mit 4-5 Grad noch sehr kalt, aber die wenigen Wolken und die aufziehende Morgenröte versprechen wunderbares Wetter und meine Motivation lässt nicht zu wünschen übrig.

So fliegt die erste Hälfte der Auffahrt nur so dahin und ich folge an den Abzweigungen meinem vorbereiteten GPS Track. Die anfängliche Euphorie zur Beschaffenheit des Schotterbelags lässt aber schnell nach, als ich im zweiten Teil des Anstiegs auf sehr groben Belag stoße, der zum einen unangenehm holpert und zum anderen überhaupt nicht rollen will. Die ersten paar Auffahrten ist das noch gar nicht so tragisch. Aber umso länger ich unterwegs bin, umso zäher werden diese Abschnitte und ich bin heilfroh, dass mein OIZ mit der Vollfederung alles gibt, um Gesäß und Rücken auf diesen Abschnitten zu entlasten. Sowieso muss ich sagen, dass das Material die Prüfung wunderbar bestanden hat. Auch die Wolfpack Speed Bereifung war genau die richtige Wahl.

Nach den ersten paar Auffahrten fange ich im Geiste an die bisherigen Rundenzeiten hochzurechnen und stelle fest, dass das ein richtig langer Tag wird. Die geringe Durchschnittssteigung von nur 5% führt dazu, dass für das Erklimmen des Everests über 330km zu fahren sind – und das fordert auf Schotter und unter den verschärften Belagsbedingungen einfach seine Zeit. Es wird mir schnell klar, dass das Ende der Tour wohl erst nach Mitternacht zu erwarten ist. Um mir die Zeit zu vertreiben, habe ich extra mein Ultracycling Headset am Helm montiert. Die Idee ist, dass ich den Tag dafür nutze, endlich mal wieder alte Freunde abzutelefonieren. Doch daraus wird leider gar nichts. Auf der kompletten Strecke gibt es nur am oberen Wendepunkt minimalen Handyempfang (von UMTS ganz zu schweigen) so dass ich auch nach Hause nur alle paar Stunden ein Lebenszeichen per SMS funken kann. Die Unterhaltung beschränkt sich somit auf Podcasts, die ich offline auf dem Handy habe. Umso mehr freut es mich, als Patrick Krauth aus meinem Rennteam am Nachmittag auftaucht und mir für eine Auffahrt Gesellschaft leistet.

Vor allem, da ich zu dieser Zeit erst stark die Hälfte der Strecke geschafft habe und klar ist, dass das Ganze noch richtig zäh und lang wird. Frisch vom Teamkollegen motiviert und von der Mittagssonne verwöhnt geht es danach doch wieder etwas leichter von der Hand und dem Abend entgegen. Kurz vor der Abenddämmerung kommt mit Thorsten Witt noch die zweite Überraschung – mein Teamchef – an die Strecke. Er hat extra Bike, Verpflegung und Beleuchtung ins Auto geladen und fährt einige Runden mit mir in die anbrechende Nacht. Von Patrick und Thorsten erfahre ich, dass auch Thomas Georg mit Nachwuchs an die Strecke kommen wollte, aber mangels Internetempfang den Weg zu mir nicht gefunden hat. Vielen Dank euch dreien für den Support (ein paar der Bilder verdanke ich auch nur eurem Besuch)!!

Als es spät wird, muss Thorsten uhrzeitbedingt nach Hause, aber auch die Temperaturen, die wieder in den niedrigen einstelligen Bereich abfallen, passen nicht mehr zu seiner Klamottenauswahl. Und so bin ich wieder alleine auf weiter Flur. Es ist stockdunkel, da mondlos, und mich beschleicht doch des Öfteren ein etwas mulmiges Gefühl alleine ohne Handyempfang im Black Forrest meine Kreise zu ziehen. Vor allem, da der Wald seinem Namen alle Ehre macht und es im Dunkeln mit der Geräuschkulisse eines kleinen Bachlaufs und dem Rascheln im Wald ganz schön spooky ist.

Zum Glück kenne ich die Strecke in der Zwischenzeit in und auswendig. Trotzdem ist jetzt erst recht volle Konzentration auf den Abfahrten gefragt, da im Dunkeln die Wildwechsel zunehmen und ein Zusammenprall mit Rotwild oder auch nur einem kleinen Hasen bei über 50km/h für Wild und Mensch ganz sicher kein erstrebenswertes Erlebnis sind. Aber es geht alles gut und als es in die letzten vier Auffahrten geht, setzt so langsam die Euphorie des Endspurts ein… Schon witzig, wie sich bei langen Strecken „nur noch 1.200 Höhenmeter“ plötzlich kurz und überschaubar anhören…

Doch die Euphorie findet ein jähes Ende, als das Bike im Wiegetritt in der Auffahrt plötzlich mehr nachgibt als es sollte. Ein kurzer Check entlarvt das Problem. Plattfuß am Hinterrad. 😦 Ich habe zwar Ersatzschlauch und Pumpe am Mann, aber die Aussicht auf die Reparatur ohne Standpumpe lässt mich doch die Auffahrt abbrechen und zum Auto am Fuß des Anstiegs zurück kehren. Ein Platten ist zwar eigentlich überhaupt kein Problem, aber in meinem aktuellen mentalen Zustand, der von Einsamkeit, Dunkelheit und Erschöpfung geprägt ist, ergreift mein Gehirn den angebotenen Strohhalm der Situation zu entfliehen sofort und formt daraus die Exitstrategie das Everesting wegen Defekt abzubrechen. Wieder am Auto angekommen muss ich mehrmals tief durchatmen und mir ins Gedächtnis rufen, warum ich den „Spaß“ hier eigentlich mache und meinen Urlaubstag nicht gemütlich vor dem Fernseher auf der Couch verbringe… Das zieht… und die Finger finden doch den Weg zum Werkzeug.

Besonders ärgerlich, dass der Platten auch noch absolut selbst verschuldet ist. Der Wolfpack Speed saß bei der Erstmontage schon ohne Dichtmilch so perfekt auf der Felge und hielt die Luft, dass ich aus Gewichtsgründen nur ein paar Milliliter Dichtmilch eingefüllt habe. Das ist einfach zu wenig, selbst um das nur kleine Loch auf der Lauffläche (wahrscheinlich durch einen Dorn entstanden) zu schließen. Im Kofferraum habe ich zum Glück noch eine kleine Flasche Tubeless Sealant und Werkzeug, um den Ventilkern zu entfernen. Und so bekomme ich ohne einen Schlauch einzuziehen den Reifen wieder dicht und mache mich auf zu den letzten Auffahrten. Vor der letzten Runde ist dann zwar noch die Batterie des Powermeters leer, aber das kann mich dann auch nicht mehr nachhaltig beeindrucken 😉 und ich nehme nochmal alle Konzentration für die letzte Abfahrt zusammen.

Wieder am Auto angekommen bin ich einfach nur glücklich. Glücklich die Challenge überhaupt angenommen zu haben, glücklich sie trotz aller Umstände durchgestanden und erfolgreich beendet zu haben und dankbar über die Unterstützung von Familie und Teamkollegen. Nachdem ich die tiefe Befriedigung mit der frischen Nachtluft in vollen Zügen inhaliert habe, ist es allerdings auch schon 2 Uhr morgens und ich packe alles wieder ins Auto, um den Heimweg anzutreten. Die Option mich im Kofferraum einfach unter eine Decke zu legen ist zwar auch verlockend, aber ohne Handyempfang und damit der Chance beraubt eine SMS nach Hause zu schicken, um Bescheid zu geben, auch keine echte Alternative.

Die Challenge nach der Challenge

Als alles im Auto verstaut ist, kommt also ein Redbull griffbereit in den Cupholder der Mittelkonsole und ich drehe den Schlüssel im Zündschloss und – es – passiert – nichts…

Auch weitere Versuche festigen nur die unausweichliche Erkenntnis: das häufige Auf-/Abschließen des Autos über den ganzen Tag verteilt, um Getränke und Verpflegung nachzufüllen, gepaart mit der Kälte der Nacht und dem jeweils für ein paar Minuten brennenden Innen- und Außenlicht des Autos, haben der sowieso schon schwachen Batterie den Garaus gemacht. Der Frust sitzt tief. Im ersten Moment weiß ich überhaupt nicht was ich tun soll. Um diese Zeit findet sich mitten im Wald schließlich niemand, um einem Starthilfe zu geben. Vor allem wenn man noch mit einbezieht, dass ich sowieso nicht ganz legal hier stehe. Die Zufahrt ist eigentlich nur für forstwirtschaftlichen Verkehr freigegeben…

Mein nächster Gedanke den ADAC zu rufen entfacht zwar einen Funken Hoffnung, aber ohne Handyempfang auch recht schwierig. Also bleibt mir nichts Anderes übrig, als mir die klamme Fahrradjacke und die Fahrradschuhe wieder anzuziehen, das Fahrrad wieder auszuladen, und mich auf den Weg zur 5km entfernten Eyachmühle zu machen und zu hoffen, dass es dort Handyempfang gibt. Meine Begeisterung hält sich in Grenzen, aber einfach hier zu bleiben, ist leider auch keine Option. An der kleinen Häuseransammlung angekommen finde ich einen Standort, an dem ich zumindest ein bis zwei Striche Empfang ergattern kann und rufe den ADAC zur Mühle. Um in den 50 Minuten Wartezeit bis zum Eintreffen des Gelben Engels bei nur 4 Grad nicht zu erfrieren, bleibt mir nichts Anderes übrig, als mir mit Kniebeugen und Liegestützen die Zeit zu vertreiben. Mit etwas Galgenhumor gar kein schlechter Ausgleich für die Rumpfmuskulatur nach der einseitigen Belastung die Stunden davor… Zum Glück ist der Retter in der Not auch noch bereit mich im ADAC-Auto wieder mit zu meinem Caddy zu nehmen und den Forstweg zur Rettungsgasse umzuwidmen, und so bin ich um kurz vor 4 Uhr morgens nach erfolgreicher Starthilfe endlich auf dem Heimweg. Ende gut alles gut 🙂

Epilog

Vorbereitung / Strecke

Ganz sicher kein Everesting mehr ohne vorherigen Streckencheck! Hätte ich mir die Strecke vorher angesehen, hätte ich mich sicher für eine steilere Strecke mit besserem Belag und Handyempfang entschieden. Die Dauer fürs Everesting wäre dadurch deutlich gesunken und der Sicherheitsfaktor wesentlich gestiegen. Da es auf www.everesting.cc noch einige Badges für anders charakterisierte Strecken gibt, war das sicher auch nicht mein letzter Tag mit 8.848 Höhenmetern 😉

Material

Zuerst einmal vielen Dank an meine Sponsoren und das Team. Es war erst meine dritte Fahrt auf dem Orbea OIZ (1x Everesting auf der Straße, 1x Training), aber dank dem guten Fahrwerk und der perfekten Einstellung durch Thorsten beim Bike Fitting hatte ich über den gesamten Verlauf überhaupt keine Probleme mit Knien oder dem Rücken. Einfach top!

Auch die Wolfpack Speed Bereifung von Wolfgang Arenz hat sich voll bewährt. Nach dem Everesting auf der Straße und den über 330km Schotter an diesem Tag immer noch kaum Abnutzungsspuren. Das gepaart mit guter Traktion und einem top Gewicht machen den Reifen für mich zur Allzweckwaffe für weitere Einsätze. Auch wenn ich sicher das Risiko in Zukunft mit einer gebräuchlichen Dosis von 60ml Dichtmilch pro Reifen deutlich reduzieren werde 😉

Saisonabschluss beim Lautertal Bikemarathon

Platz 1 Altersklasse und ein Kasten Bier beim zweiten Rennen in der neuen Teamfarbe – so sollte jede Saison zu Ende gehen…

Genialer Saisonabschluss bei top Wetter beim 14. Lautertal Bikemarathon. Da wir am Nachmittag noch im Team.witttraining zum Grillen verabredet waren, sind wir alle auf der Kurzstrecke gestartet. Nicht ganz meine Distanz, aber es lief gut. Die Löcher, die ich an den Anstiegen reißen lassen musste, konnte ich auf den feuchten und schlammigen/schmierigen Abfahrten häufig wieder schließen. Im Ziel wurde die Anstrengung und der erste Platz bei den Senioren mit einem Kasten Bier belohnt 🏆🥇

Perfektes Equipment für die anschließende Grillparty. Prost 🍻

Presse – Vaihinger Kreiszeitung 12.10.2019 – Ein Neuer ist in Altersklasse ganz vorne

Böhringer, ab 2020 Teil des Teams Witttraining, gewinnt Senioren-II-Wertung beim Charity Bike Cup

Den Artikel gibt es auch online: https://www.vkz.de/sport/sonstige/ein-neuer-ist-in-altersklasse-ganz-vorne/

Lila Logistic Charity Bike Cup – mein erstes Straßenrennen

Am 3.10.2019 bin ich mein erstes Straßenrennen beim Lila Logistik Charity Bike Cup gefahren. Platz 1 in der Altersklasse und 13. Gesamt 🙂 Hätte nicht gedacht, dass ich die Spitzengruppe bis zum Schluss halten kann, da die krassen Tempowechsel eines Straßenrennens nicht so ganz zu meinem Langstreckenprogramm passen.

Aber es hat schließlich geklappt und die Pro‘s haben die Spitzengruppe erst auf den letzten 500m vollends zerlegt. Zu dem Zeitpunkt konnten meine geschundenen Beinchen dann keinen Widerstand mehr leisten und die Gesamtsieger haben noch 4,5Sekunden rausgefahren.

War mein erstes Straßenrennen mit Fahren im Pulk. Am Anfang mental einfach nur tierisch anstrengend, aber mit der Zeit ging es dann und der Spaß am Speed in der Gruppe stand im Vordergrund und es hat richtig Laune gemacht. War sicher nicht mein letztes Straßenrennen. 🙂

https://strava.app.link/2zq0foyEu0

In der kommenden Saison starte ich im Team.witttraining. Der zugehörige Rennsuite hat sich heute auf jeden Fall schon einmal bewährt.

Presse – Main Echo – 21.07.2019 – Jochen Böhringer ist »König von Külsheim«

Be­reits zum 16. Mal wur­de beim Zwölf-Stun­den-Ren­nen die Brun­nen­stadt Küls­heim am Sams­tag zu ei­nem Mek­ka für die Mo­un­tain­bi­ke-Freun­de. Die Män­ner-Ein­zel­wer­tung ge­wann Jo­chen Böh­rin­ger, der 26 Run­den in zwölf Stun­den hin­ter sich brach­te.

Den Artikel gibt es auch online unter folgendem Link: https://www.main-echo.de/6759809

Alternativ hier als PDF Datei: 450 Teilnehmer_ Jochen Böhringer ist König von Külsheim

24h Alfsee – Highway to Hell

Das 24h MTB-Rennen am Alfsee liegt schon wieder eine Woche zurück. Zeit für eine Rückschau auf ein fulminantes Wochenende, das mir mit über 440km auf anspruchsvollem Kurs einiges abverlangt hat. Damit ich die Lust an solchen Wochenenden nicht verliere, hat es sich vorsichtshalber mit einem zweiten Platz bei den Solostartern revanchiert. Yippiehhhh 🙂

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Podium Solostarter v.r.n.l: Kai Saaler – Platz 1, Helmut Wolf – Platz 3, Jochen Böhringer – Platz 2

Im folgenden Bericht möchte ich euch auf meinen Wochenendtrip mit all seinen Höhen und Tiefen mitnehmen…

Vorbereitung

Bereits zum Saisonbeginn ist für mich klar, dass ich neben meinem Saisonhöhepunkt dem Navad 1000 auch noch das ein oder andere 24h-Rennen fahren möchte. Terminlich sieht es damit aber alles andere als rosig aus, da die meisten 24h-Veranstalter ihre Events in die Sommerferien gelegt haben und wir diese im Wohnmobil in den USA verbringen werden. Die 24h vom Alfsee sind eine rühmliche Ausnahme, denn der Veranstalter hat das hochkarätig besetzte Rennen, das auch Teil des BDR Deutschland Cups ist, für den 11. Mai im Kalender verankert. Also nichts wie angemeldet!

Die Vorbereitung läuft im Frühjahr gut und auch die ersten Formtests beim #Riding4Europe und dem ALB-Gold Frühjahrsmarathon laufen sehr vielversprechend. Eine Woche vor dem Alfsee möchte ich mir noch etwas Rennhärte und den letzten Feinschliff beim Bike the Rock in Heubach holen. Meine bisherige Vorstellung zum Thema Rennhärte wird aber neu kalibriert, als mich meine Frau nach einigen Stunden Behandlung wegen starker Unterkühlung von der Intensivstation der nächstgelegenen Klinik abholen muss.

Zum Glück sind die einzigen körperlichen Nachwehen schmerzende Rippen, weil ich bereits halb erfroren kurz vor meiner Rennaufgabe unkontrolliert vom Trail in den Wald abgeboben bin.

Aber das Material beschert mir noch einige Nachtschichten, da das völlig verschlammte Rad ungeputzt beim Veranstalter übernachtet und nach der Abholung die Tage danach noch einiges an Zuwendung benötigt, um z.B. festgesessene Lager zu reinigen oder zu erneuern. Richtig in Stress bringt mich vor allem der nicht mehr funktionierende Gabel-Lockout, dessen Ersatzlager erst am Donnerstagvormittag per Post eintrifft.

So richtig entspannen kann ich mich erst am Freitagnachmittag, als die gesamte Familie im vollgestopften Wohnmobil auf dem Weg zum Alfsee sitzt.

Ab jetzt wird auch die Ernährung so langsam von fest auf flüssig umgestellt und es gibt ein letztes Mal vor dem Rennen Nahrung, die man theoretisch kauen kann. Die verbleibenden Malzeiten vor dem Start werden dann nur noch mit Ensure Flüssignahrung bestritten, um Toilettenpausen während dem Rennen möglichst zu vermeiden.

Als wir um 20:00Uhr auf dem Campingplatz eintreffen, können wir gerade noch einen Platz im Lager der Solostarter nahe an der Strecke ergattern und die Startunterlagen abholen. Dann geht es früh ins Bett, um noch etwas Schlaf zu bunkern.

Der kommende Morgen verläuft geschäftig aber ohne Hektik. Ich bereite meine Verpflegung/Kleidung/Beleuchtung/Werkzeug/Ersatzteile und das Bike für die gesamte Renndauer vor. Dankenswerterweise kann ich meine Verpflegungskisten bei Daniel und Sascha vom toMotion Racing Team mit an die Strecke stellen und Daniels Rennbetreuer Christoph hilft mir sogar dabei die Kisten an die Strecke zu tragen. Vielen Dank Jungs – einfach klasse!!

 Euphorie

Die Zeit vergeht wie im Flug. Und Schwupps ist es 14:00Uhr und die ersten Teams werden auf die Strecke geschickt. Beine und Kopf fühlen sich bei mir sehr gut an und ich bin heiß aufs Rennen. Die Rippen zwicken beim Warmfahren zwar noch, aber da spekuliere ich voll aufs Rennadrenalin und werden Recht behalten. Die kommenden Stunden wird mir zwar noch einiges weh tun – die Rippen gehören aber nicht dazu. Die melden sich erst danach wieder – ein 24h Rennen taugt also leider doch nicht als Rehabilitationsmaßnahme 😉

Bei den Einzelstartern stehen über 120 positiv Bekloppte am Start und als ich mich relativ weit vorne in den Startblock stelle und mich umsehe ist klar, dass hier einige gekommen sind, um mit um die vorderen Plätze zu fahren. Es ist mein erstes 24h Rennen in Deutschland und ich kenne die Szene noch nicht so gut. Aber Kai Saaler kenne ich bereits von den 12h in Diessen, wo er Europameister wurde und ich habe auch seinen prestigeträchtigen internationalen Sieg bei den 24h in Finale Ligure im Vorjahr verfolgt. Als meine Kinder mich am Morgen fragen, ob ich das Rennen gewinnen kann, verweise ich auf Kai und dass realistischer weise alles ab Platz 2 hinter Kai bereits ein riesen Erfolg für mich wäre.

Ich nehme mir also vor, mich zu Beginn des Rennens an seiner Pace zu orientieren und zu schauen, wie lange ich sein Tempo mitgehen kann. Der Startschuss knallt und Kai und ich gehen irgendwo zwischen Platz 10 und 15 in die ersten Singletrails. Mit gut Druck auf dem Pedal schiebt Kai sich Stück für Stück im Feld nach vorne und ich fahre mit. Der Wattmesser zeigt, dass das sicher kein Tempo fürs ganze Rennen ist, aber für die Startphase auf jeden Fall im grünen Bereich. Doch nach einigen Kilometern löst sich bei Kai die Sattelschraube und er muss kurz anhalten, um den Sattel wieder festzuschrauben. So bin ich plötzlich etwas „führungslos“. Da wir Einzelstarter in der Zwischenzeit auch auf die langsameren Teamfahrer aufgefahren sind dauert es noch ein paar Kilometer bis ich die Aufholjagd alleine bis an die Spitze der Solofahrer abgeschlossen habe und ich bin mir auch nicht ganz sicher, ob sich vorne evtl. bereits jemand abgesetzt hat. Insofern behalte ich einfach weiter Druck auf dem Pedal und gebe Gas. Die technischeren Abschnitte des Kurses liegen mir und es macht frisch und erholt richtig Spaß die Trails in Angriff zu nehmen.

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So vergehen die ersten Runden. Sandra und die Kinder stehen an der Strecke und reichen mir jede zweite Runde eine neue Flasche und ein Ensure. Die Temperaturen sind mit ca. 13° auch ganz angenehm und das gesamte Feld aus Solostartern, 2er-, 4er-, 6er- und 8er-Teams mischt sich zusehends durch. Da es um den See an den langen Deichabschnitten starken Seiten- und Gegenwind gibt, versuche ich taktisch zu fahren und mich für diese Abschnitte an schnelle Teamfahrer zu hängen. Das klappt meistens auch ganz gut, führt aber auch dazu, dass ich auf den steilen Rampen und den holprigen Wiesentrails dazwischen immer wieder deutlich außerhalb der Komfortzone bin, um die schnellen Gruppen nicht zu verlieren. So kann ich bis zum Einbruch der Dunkelheit sehr gleichmäßig meine Runden ziehen und für mich völlig überraschend einen satten Vorsprung auf die restlichen Einzelfahrer herausfahren. Als es in die Nacht geht ist dieser zeitweise auf über 20 Minuten angewachsen und es macht sich regelrecht Euphorie bei mir breit…das Rennen zu gewinnen erscheint plötzlich doch realistisch! Meine Beine laufen trotz der vielen steilen Rampen noch richtig rund und ich halte nur kurz an, um Licht zu montieren, die Kette frisch zu ölen und mich für die Nacht wärmer anzuziehen.

Die Nacht

Das ist auch bitter nötig, denn sobald die Sonne hinter dem Horizont verschwunden ist, wechselt es von empfindlich kühl zu richtig kalt. Die Temperaturen fallen in den niedrigen einstelligen Bereich und in den frühen Morgenstunden friert bei 0° der Tau auf den Wiesen sogar zu Raureif. Trotz dicker Überschuhe und warmer Handschuhe werden Finger und Zehen bei dem eisigen Wind vor Kälte taub und der Spaß bekommt so langsam ein Loch.

Dass meine komplette Rennverpflegung in der Box an der Strecke den Temperaturverlauf eins zu eins nachvollzieht macht es auch nicht besser. Ständig Isogetränk und Ensure knapp über dem Gefrierpunkt in sich reinzuschütten führt auch nicht gerade dazu auf warme Gedanken zu kommen. Vor Mitternacht muss ich noch zwei kurze Zwangsstopps einlegen, da sich einmal der Akku meiner Lupine löst und ich plötzlich im Dunkeln auf dem Trail stehe und ein anderes Mal aus unerfindlichen Gründen auch die Batterie meiner Rückleuchte den Dienst einstellt und ich einen Abstecher zum Wohnmobil machen muss, um die Ersatzrückleuchte zu montieren.

Als die Sonne morgens wieder aufgeht bin ich heilfroh die Nacht verhältnismäßig gut überstanden zu haben und freue mich auf wärmere Temperaturen.

Wie groß mein Vorsprung ist weiß ich zu diesem Zeitpunkt nicht wirklich, aber eine spätere Analyse der Rundenzeiten zeigt, dass ich hier immer noch ca. 20 Minuten vor dem Zweitplatzierten liege. Also beste Voraussetzungen, um das Ding vollends nach Hause zu fahren 🙂

Wer hat den Stecker gezogen?

Die Temperaturen klettern langsam wieder nach oben und mit ihr sollten es eigentlich auch meine Lebensgeister tun. Doch das Gegenteil ist der Fall. Es ist als hätte jemand den Stecker gezogen. Ich schaffe es kaum noch die steilen Rampen fahrend zu bewältigen und die ruppigen Wiesentrails werden immer mehr zur Qual. Statt diese halbwegs flüssig im Sitzen zu fahren bin ich darauf fast nur noch in abgehacktem Wiegetritt unterwegs. Es ist gar nicht so, dass eine einzelne Körperstelle besonders Probleme macht. Es ist einfach der ganze Bewegungsapparat ab der Hüfte aufwärts, dem es irgendwie zu viel des Guten wird. Jetzt kann ich die gutmeinten Ratschläge einiger anderer Fahrer am eigenen Leib nachvollziehen das Rennen statt mit einem Hardtail lieber vollgefedert anzugehen. Ist nur keine Option, wenn man gar kein Fully besitzt 😉 Besondere Freude bereitet mir eine längere Trail-Passage, die passenderweise mit einem Schild „Highway to Hell“ versehen ist. Die erste Rennhälfte konnte ich den Aufdruck beim schnellen Vorbeifahren gar nicht richtig entziffern. Aber da meine Normalized Power jetzt Runde für Runde weiter absinkt, kann ich das Schild jetzt leider im Vorbeifahren problemlos lesen. Ich klammere mich an meine Brevet-Erfahrung: egal wie schlecht es einem geht – einfach „locker“ weiterfahren…irgendwann geht es wie durch ein Wunder auch wieder aufwärts. Doch das Wunder bleibt dieses Mal leider aus. Meine Rundenzeiten werden immer länger während Kai am Vormittag nochmal richtig aufdrehen kann.

Und so kommt es wie es kommen muss. Knappe vier Stunden vor Rennende kann Kai meinen Vorsprung egalisieren. Er erweist sich als echter Sportsmann und statt demoralisierend an mir vorbei zu sprinten gibt es ein paar aufmunternde Worte und das Angebot etwas zusammen zu fahren. Zu gerne würde ich darauf eingehen und die letzten Stunden des Rennens nochmal Gas geben, aber ich kann gerade einfach nicht mehr zulegen und bewältige sogar die ein oder andere Rampe schiebend. Also gratuliere ich ihm und schicke ihn weiter. Um ehrlich zu sein hadere ich die nächste halbe Stunde ziemlich mit meiner Performance und der Situation. Aber dann besinne ich mich auf meine ursprünglichen Ziele beim Rennstart und kann mich auch wieder über meine aktuelle Platzierung freuen.

Let’s call it a day

So ziehe ich weitere drei Runden um den See. Aber Freude am Fahren will in meiner körperlichen Verfassung nicht mehr so richtig aufkommen. Also stoppe ich nach 22,5h an meiner Verpflegungsbox und frage ein paar Zuschauer, die ihr Handy in der Hand halten, nach der aktuellen Rangliste. Kai hat in der Zwischenzeit einen deutlichen Vorsprung nach vorne und der Drittplatzierte Helmut Wolf liegt 4 Runden zurück. Mein zweiter Platz ist somit in Stein gemeißelt. Ich beschließe also meine erste längere und auch finale Pause im Rennen einzulegen. Dazu fahre ich noch ein letztes Mal über die Zeitnahmestreifen im Start-/Zielbereich und tausche dann das Bike glücklich über meinen zweiten Platz gegen eine wohltuende Dusche.

Davor bedanke ich mich noch herzlich bei meiner Frau und gratuliere noch meinen Kids, die am Sonntagvormittag beide beim Kids-Race an den Start gegangen sind.

Frisch geduscht geht es gemeinsam mit Familie und Freunden ins Café des Campingplatzes, um den Körper wieder an feste Nahrung zu gewöhnen und dann gleich weiter zur Siegerehrung, bei der ich mich riesig über meinen zweiten Platz in einem solch starken Starterfeld freue.

Riesen Respekt an Kai für seine Aufholjagd im letzten Viertel des Rennens. Aber auch an alle anderen Starter, die die Herausforderung am Alfsee in Angriff genommen haben!

Nachbetrachtung

Nach der Siegerehrung wird es nochmal richtig hart, als ich ziemlich geschafft von den Strapazen des Wettkampfs und einer Nacht ohne Schlaf das ganze Equipment wieder im Wohnmobil verstauen muss, damit wir uns auf den Heimweg machen können. Da die Kinder am nächsten Tag wieder in der Schule sein müssen, ist eine weitere Übernachtung am Alfsee leider keine Option. Ein riesen Dankeschön an dieser Stelle nochmal an meine Frau Sandra, die uns souverän über 500km nach Hause fährt, während ich und die Kinder den größten Teil der Heimfahrt schlafend in unseren Sitzen hängen.

Den Montag habe ich wohlweislich frei genommen, um zu Hause ohne Stress Zeit zu haben das ganze Equipment zu verarzten, dem Bike die wohlverdiente Pflege zukommen zu lassen, und zwischendurch die Energiespeicher wieder aufzufüllen.

Obwohl ich mit der Platzierung zufrieden bin, habe ich mir natürlich trotzdem Gedanken gemacht, was nächstes Mal anders laufen müsste, um die Performance der ersten 18 Stunden über die ganze Dauer aufrecht zu erhalten. Ich bin mir noch nicht ganz sicher, ob sich der Einbruch einem einzelnen Umstand zuordnen lässt oder eher einer Kombination aus verschiedenen Faktoren. Ein paar Optimierungen wären sicher:

  • Fully statt Hardtail
  • Flaschen in der Nacht warmstellen (lieber einen Umweg übers Wohnmobil in Kauf nehmen, als sich stundenlang nur von Flüssigkeit zu ernähren, die knapp über dem Gefrierpunkt liegt)
  • Support an der Strecke rund um die Uhr (dauerhaft jemand an der Strecke, der Transparenz zu den Abständen gibt, hätte evtl. taktisch eine Überrundung zur Rennhälfte ermöglicht, als der Druck noch da war. Außerdem wäre eine Ernährungsanpassung usw. leicht möglich gewesen)
  • Auch feste Nahrung in die Verpflegungsbox (die Energie aus der kalten Flüssigkeit konnte nicht mehr gut aufgenommen werden). Außerdem musste ich die Energieaufnahme im Vergleich zum Plan deutlich reduzieren, um nicht alle zwei Runden pinkeln zu müssen. Wenn es kalt ist wird einfach zu wenig geschwitzt 😉
  • Ob zu viel Druck an den steilen Rampen in der ersten Rennhälfte auf Dauer eine Ursache war ist schwierig zu sagen. Auf jeden Fall zeigt die Powerzonenauswertung für die gesamte Veranstaltung fast 60Minuten in Bereichen der VO2Max und darüber.

Auf jeden Fall weiß ich jetzt, dass das Potential da ist, im 24h-Bereich bei starker Konkurrenz ganz vorne mitzumischen. Mein nächstes Abenteuer wird mit dem Navad 1000 zwar mit Bikepacking und einer deutlich längeren und anspruchsvolleren Strecke ganz andere Herausforderungen bergen, aber ich werde ganz sicher auch in Zukunft wieder an der Startlinie eines 24h-Rennens stehen 🙂

Vielen Dank an meine Unterstützer von www.centurion.de, http://www.bike-werf.de/, https://www.spirgrips.com/, https://www.slowbuild.eu/ und https://www.tune.de/ für euren Support. Euer Material hat 22,5h ohne eine Panne klaglos die Strapazen der Strecke auf sich genommen.

Strava:  https://www.strava.com/activities/2363077396

Die Race Season ist eröffnet / ALB-Gold Frühjahrsmarathon – Platz 1 Altersklasse :-)

Die rennfreie Winterpause war lang, und so war ich froh, dass sich im April wieder die ersten MTB Marathons in der näheren Umgebung im Rennkalender finden. Um vor den 24h von Alfsee wenigstens ein paar Rennkilometer zu sammeln, war ich bis in die Haarspitzen motiviert den Körper wieder ans Wettkampftempo zu gewöhnen – wäre da nur die Wettervorhersage nicht gewesen…

Also am Samstagabend das Wohnmobil beladen und auf nach Münsingen zum ALB-Gold Frühjahrsmarathon. Über stark 40km und 800hm führt die Marathonstrecke auf einem schnellen Kurs über die Schwäbische Alb. Und zu gewinnen gibt es jede Menge Spätzle vom Hauptsponsor des Events – was will man mehr 😉

Als ich am frühen Sonntagmorgen die Jalousie des Wohnmobils aufmache, trifft mich die Realität dann doch hart, als ich auf eine schneebedeckte Wiese blicke. Wer will da schon aus dem warmen Wohnmobil aussteigen und das Rad startklar machen. Aber es hilft ja alles nichts…. also noch schnell ein paar Leckereien zum Frühstück.

Und schon geht es raus, um das Rad für den Start fit machen und mich noch etwas einzufahren.

Pünktlich um 10Uhr fällt dann der Startschuss und wie üblich bei solch kurzen Rennen geht es nach dem Start gleich los, als gäbe es kein Morgen. Sein eigenes Tempo zu fahren macht aber keinen Sinn, da dann die guten Windschattengruppen weg sind. Also ignoriere ich die kritisch hohe Wattanzeige am Lenker und fahre Vollgas mit. Nach einer Weile formiert sich eine größere Gruppe, in der sich ein paar andere Fahrer und ich zumindest anfänglich noch regelmäßig in der Führungsarbeit abwechseln. Die Gruppe wird trotz der ein oder anderen Tempoverschärfung nicht wirklich kleiner und als die Windschattenlutscher keine Anstalten machen auch einmal in die Führung zu gehen, legen wir vorne in der Gruppe im letzten Renndrittel eine Zeitlang auch die Beine hoch. Mein Puls sinkt wieder und es fühlt sich passend zum Wochentag plötzlich an wie eine gemütliche Sonntagsausfahrt – und auch die Sonne lässt sich plötzlich blicken 🙂 Ein Blick zurück zeigt aber, dass bald die nächsten Fahrer zu uns aufschließen, wenn wir weiter so bummeln. Und so verschärfen wir das Tempo wieder deutlich und nutzen die nächsten Wellen im Höhenprofil um die Gruppe nach und nach zu dezimieren. Im Finale der letzten Kilometer sind wir so nur noch 5 Fahrer, die es nochmal richtig krachen lassen. Ich gebe am letzten Schotteranstieg vor den finalen Trails des Zielhangs alles und schaffe es mit etwas Vorsprung und Sternchen vor den Augen in die letzte Abfahrt. Aber Sebastian Büchele lässt nicht locker und so muss ich die letzten Meter nochmals alles aus den müden Beinchen wringen, um es vor ihm nach 1:32:07.1 mit gerade einmal 3 Zehntelsekunden Vorsprung und als erster unserer Gruppe über die Ziellinie zu schaffen.

Als ich wieder halbwegs zu Atem gekommen bin, wird natürlich gleich die leckere Finisherverpflegung geplündert und schlammbepackt die Ergebnisliste gecheckt.

Da ich seit diesem Jahr mit Jahrgang 1979 in der Ü40-Klasse an den Start darf, bin ich gespannt, ob sich der Altersbonus bezahlt gemacht hat. Und tatsächlich: der Altersbonus, die Überwindung des wärmeliebenden inneren Schweinehundes und der Kraftakt auf den letzten Metern haben sich gelohnt, und ich freue mich riesig, dass mich der harte Kampf um die letzten 3 Zehntel auf Platz 1 meiner Altersklasse katapultiert hat.

Top motiviert für die kommenden Rennen, frisch geduscht und mit einer Familienpackung feinster Alb-Gold Nudelsorten mache ich mich wieder auf den Heimweg. Zu Hause angekommen bedanke ich mich bei meiner Centurion Rennmaschine für den klaglosen Einsatz mit einem ausgiebigen Schaumbad und frischem Öl. Nächster Stopp 24h Alfsee 🙂

 

#Riding4Europe – ein perfekter Saisonauftakt

Dieses Jahr liegt der Schwerpunkt meiner sportlichen Wettkampfplanung ganz klar auf der MTB-Langstrecke. Mit den 24h Alfsee im Mai (http://24h-alfsee.de/), dem Navad 1000 im Juni (1.000km/31.000hm Bikepacking – http://www.navad.ch) und den 12h Külsheim im Juli (http://www.12stundenrennen.de/) ist jeden Monat für reichlich Spaß gesorgt.

Am vergangenen Wochenende stand aber ein weiteres Highlight ganz ohne Wettkampfcharakter im Vordergrund. Mit #Riding4Europe hat Stefan Barth eine großartige Aktion ins Leben gerufen. Kurz gesagt geht es darum den Europäischen Gedanken ins Bewusstsein zu rufen.

Zitat aus seinem Blog (https://barthsman.wordpress.com/2019/02/10/riding4europe/):

Wir leben in einer Zeit, in der vermehrt wieder nationalistische Bewegungen in Europa aufkommen. Trotz der längsten friedvollen Periode in Zentraleuropa überhaupt. Dies ist eine Errungenschaft des vereinten Europa und wird derzeit durch nationalistische Bewegungen leichtfertig aufs Spiel gesetzt. Daher möchte ich aufzeigen, dass Europa im Grunde kleiner und zusammengehöriger ist, als man manchmal denken mag. Am sichtbarsten für den Einzelnen werden die Vorteile im freien Personenverkehr – weshalb ich mir für 2019 vorgenommen habe an vier Wochenenden alle deutschen Nachbarländer per Fahrrad zu besuchen.

Die Planung seiner ersten Tour führt von Frankfurt an den Bodensee, um diesen dann gegen den Uhrzeigersinn einmal zu umrunden und dabei mit der Schweiz und Österreich die ersten beiden Nachbarländer zu befahren. Da Stefan ein cooler Typ ist, ich sein Europäisches Statement voll unterstütze und sich der Termin mit unseren privaten Plänen in Einklang bringen ließ, war ich natürlich gleich dabei 🙂 Und so stand ich am Freitagfrüh gemeinsam mit Stefan, seinem Freund Karsten und unseren drei Fahrrädern am Frankfurter Zoo, um gen Süden aufzubrechen.

 

Das Wetter zeigt sich von seiner besten Seite und es ist sowohl für Freitag als auch für Samstag strahlender Sonnenschein auf der Strecke angesagt. So kann selbst die Rush Hour in Frankfurt unserer guten Laune nichts anhaben und wir fahren zu dritt über Darmstadt nach Heidelberg. Von hier aus geht es erst einmal zu zweit weiter, da Karsten nicht die komplette Strecke dabei sein kann und sich wieder auf den Rückweg macht.

 

Stefan und ich fahren somit im Zweiergespann weiter bis nach Pforzheim.

 

Am Ufer der Enz angekommen genehmigen wir uns erst einmal einen leckeren Kuchen. Zufälligerweise treffen wir dort auch Patrick Gall, der gerade aus Südafrika vom Cape Epic zurückgekommen ist und wohl ebenfalls plant seinen Kalorienhaushalt wieder auszugleichen 😉

 

Der ein oder andere, der meine übliche Verpflegungsstrategie für die Langstrecken kennt, wird sich evtl. wundern, da ich normalerweise rein auf Flüssignahrung setze. Die Erklärung findet sich in meiner diesjährigen Teilnahme beim Navad 1000. Es handelt sich dabei um ein MTB-Bikepacking Rennen, bei dem selbst die schnellsten (der Rekord liegt bei über 4 Tagen und 4 Stunden) mehrere Tage unsupported unterwegs sind. Eine Dauer bei der der Transport der benötigten Verpflegung für die komplette Distanz nicht in Frage kommt. Deshalb setze ich beim #Riding4Europe ganz bewusst auf einen bunten Mix aus Nahrung, die man überall am Wegesrand an Eisdielen, Gaststätten oder Tankstellen „findet“. Und erprobe wie mein Körper unter sportlicher Belastung damit zurechtkommt. Und gleich vorweg… lief super. Zumindest bei der niedrigen Intensität, die auf einer solchen Langstrecke angesagt ist, hatte ich keinerlei Beschwerden und habe mich deshalb auch fürs Navad 1.000 dazu entschieden Gewicht zu sparen und mit minimalem „Verpflegungsbalast“ an den Start zu gehen.

Die Eisdiele bleibt nicht der einzige Verpflegungsstopp. So finden nach und nach diverse Leckereien ihren Weg in meinen Magen und versuchen das Kaloriendefizit in Grenzen zu halten.

 

Aus Pforzheim heraus fahren wir dann in den Abend und das wunderschöne Nagoldtal hinauf nach Calw, bevor wir dann in das auf und ab der Hügel der Schwäbischen Alb eintauchen. So sehr uns die Sonne tagsüber auch verwöhnt, so unbarmherzig zeigt sich der sternenklare Himmel in der Nacht. Die Temperaturen, die tagsüber lange Zeit über 20° C liegen, und ein fahren in kurzer Hose und kurzem Trikot erlauben, sinken in der Nacht für viele Stunden auf den Gefrierpunkt. So ziehen wir nach und nach so ziemlich alles an, was unsere Satteltaschen an Kleidung hergeben.

Ich bin sicher in meiner gesamten Radlerlaufbahn noch nie so lange in solch einer Kälte gefahren – in irgendeinem Kälteloch fällt die Temperatur kurzzeitig sogar auf -4° C. Das führt auch dazu, dass wir Verpflegungsstopps in der Nacht und am frühen Morgen immer auch zum Auftauen der Hände und Füße nutzen. So lernen wir z.B. morgens um 6Uhr in einem Supermarkt in der Schweiz das gesamte Sortiment inklusive Platzierung im Markt auswendig, da wir beim Versuch die tauben Zehen wieder aufzutauen jeden Gang mehrfach abschreiten 🙂

Durch die niedrigen Temperaturen und die wohltuenden Aufwärmpausen kommen wir auch nicht ganz so schnell voran, wie wir ursprünglich dachten, kommen aber schließlich morgens um kurz vor halb vier an der Schweizer Grenze in Stein am Rhein an. Ein cooler Moment, da damit auch das erste Nachbarland und der erste Meilenstein der #Riding4Europe-Aktion erreicht ist.

 

Ein weiteres Highlight ist, dass Markus Spieth es sich nicht nehmen lässt und in aller Herrgottsfrühe aus dem Bett springt, um uns von der Schweizer Grenze an für 30km zu begleiten, bevor er aus Termingründen leider wieder schnell zurückfahren muss. Stefan und ich freuen uns beide sehr über das Wiedersehen mit Markus und schießen vor dem Abschied auch schnell noch ein paar Bilder.

 

Die restlichen Kilometer auf der Schweizer Seite werden uns mit einem wunderschönen Morgenrot über dem See versüßt.

 

Da es aber trotzdem nicht wärmer wird, sind es für mich die schwersten Kilometer der gesamten Tour. Zum Glück erwartet uns um kurz nach 7 Uhr Stefans Freund Amadeus an der Grenze nach Österreich in Gaißau. Er wohnt in der Nähe und ist mit seinem Lastenrad an die Strecke gekommen, um uns mit heißem Kaffee, Tee und ein paar Frühstückssnacks in Österreich zu begrüßen.

 

Und nicht nur das. Er begleitet uns die restlichen 75km bis ins Ziel nach Überlingen. Unfassbar was für ein Tempo er mit dem schweren Gefährt in den Asphalt brennt! Dabei kommt ihm sicher seine super Fitness als Ultra Trailrunner zugute.

 

Auf jeden Fall müssen wir ein lustiges Bild abgegeben haben. Zwei Rennradfahrer mit Aeroaufsatz und ein Lastenrad flitzen um den See. Zumindest er kommt dabei gut weg 🙂

So vergehen die letzten Stunden bei abwechslungsreichem Geplauder schnell, und wir kommen kurz vor 11Uhr bei zwischenzeitlich wieder warmen Temperaturen am Ziel in Überlingen an, wo uns Stefans Schwester in ihrer Wohnung empfängt und uns nach allen Regeln der Kunst mit einem leckeren zweiten Frühstück verwöhnt.

Damit endet unsere gemeinsame Reise. Stefan verbringt noch Zeit mit seiner Familie und Amadeus radelt kurzerhand mit dem Lastenrad wieder nach Hause (ich denke 150km sind die längste Lastenradtour, die an diesem Wochenende rund um den Bodensee stattgefunden hat).

Ein toller Start der #Riding4Europe Ultracycling-Aktion. Die Tour war so früh im Jahr alles andere als einfach, aber ich habe wieder einmal nette Menschen auf und abseits des Rades kennen gelernt und nebenbei auch gleich noch den ein oder anderen Erfahrungswert gesammelt, der mir mit Sicherheit beim Navad 1000 zugutekommen wird. Ein tolles Erlebnis, von dem ich rückblickend nichts missen möchte (okay, meine Zehen sehen das vielleicht etwas anders). Vielen Dank an alle, die mich am Start, Ziel oder auch auf der Strecke mit Gastfreundschaft empfangen bzw. mit dem Rad begleitet haben. Besonderer Dank geht natürlich an Stefan, für die Organisation/Routenplanung und natürlich für die Gemeinschaft unterwegs!

Da das Wetter tipp top ist, entschließe ich mich die körpereigene Vitamin-D Produktion noch etwas anzukurbeln, lasse die Deutsche Bahn links liegen und mache mich frisch gestärkt mit dem Fahrrad auf den Weg nach Hause. Die Rampen der Schwäbischen Alb zerren zwar nochmal ganz schön an den müden Beinchen, aber eine bessere mentale Vorbereitung auf die Strapazen der 24h Alfsee im Mai kann ich mir wohl gar nicht wünschen. Zum Glück steht dick „Recovery Week“ im Trainingsplan für die kommende Woche 😉