Jochen Böhringer vom Team Wittraining gewinnt die Hope 1000, einen Ultra-Mountainbike-Marathon von Romanshorn nach Montreux in neuer Rekordzeit von drei Tagen, 17 Stunden und 30 Minuten. Müdigkeit ist dabei die größte Herausforderung für Körper und Geist.
Kurz bevor die Presse verkündet, dass die Grenze in die Schweiz voraussichtlich Mitte Juni wieder für den Tourismus öffnet, erreicht mich die Nachricht, dass das Navad 1000 stattfindet. Der Startschuss ist für den 20. Juni geplant – also perfektes Timing 😉 Das letztjährige Navad 1000 war sicher eines meiner größten sportlichen Abenteuer bisher, und so nimmt langsam (oder vielleicht auch eher schnell) der Gedanke Gestalt an, es dieses Jahr noch einmal in Angriff zu nehmen. Das Event heißt jetzt Hope 1000 – wie passend 🙂 Denn ich hatte nach den ganzen COVID-19-bedingten Absagen schon jede Hoffnung aufgegeben, in den nächsten Monaten überhaupt ein Rennen fahren zu können.
Im Rahmen der Vorbereitung werfe ich auch einen Blick in meine Bilder vom letzten Jahr und stelle fest, dass ich nach dem Event überhaupt keinen Bericht geschrieben habe. Vor allem wohl deshalb, weil ich während dem Rennen bereits immer wieder ausführlich live in meinem ultra-jo YouTube Channel vom Rennen berichtet habe. Einen Bericht möchte ich an dieser Stelle gar nicht nachholen, aber euch trotzdem an meinem Navad-Flashback mit ein paar kommentierten Bildern teilhaben lassen. Meine Vorfreude aufs Hope 1000 ist beim Stöbern in den Bildern und den wieder wachgerufenen Erinnerungen ans letzte Jahr auf jeden Fall förmlich explodiert – Hope 1000 – ich komme!
Ein paar Hintergrundinfos zu meiner Teilnahme letztes Jahr, gibt es auch in meinem Artikel vor dem Start: Navad 1000 – endlich geht es los 🙂
Vor dem Start
Strecke des Navad 1000 von Romanshorn nach Montreux
Test des Navigations und Trackingequipments am Vortag
Pastaparty am Vorabend mit Racebriefing durch den Veranstalter Willi Felix
Frühstück und Katzenwäsche vor dem Start
Traumwetter am Bodensee in Romanshorn kurz vor dem Start
Es geht los mit dem gestaffelten Start in 4-er Gruppen
Ich hatte am vergangenen Dienstag das Vergnügen einen Einblick in meine Erfahrungen beim Navad 1000 mit Daniel im Coffe & Chainrings Podcast zu teilen. Die Folge ist nun online und unter folgendem Link zu finden:
Radsport – Der 40-jährige Jochen Böhringer absolvierte die 1000 Kilometer lange Strecke durch die Schweizer Alpen als schnellster von 73 Startern. Die letzten Teilnehmer sind immer noch unterwegs.[…]
Extremsportler Jochen Böhringer aus Tamm hat beim Navad 1000, einem Mountainbike-Ultracycling-Rennen über 1000 Kilometer durch die Schweizer Alpen, den ersten Platz erreicht.[…]
Monate der Vorbereitung sind am Samstagfrüh um 06:00Uhr endlich Geschichte und das Navad 1000 (http://www.navad1000.ch) beginnt für mich in Romanshorn am Bodensee. 1.000km und ca. 30.000 Höhenmeter erwarten mich, wenn es kreuz und quer durch die Schweizer Alpen nach Montreux am Genfer See geht.
Wer mich bei diesem Abenteuer verfolgen will, ist herzlich eingeladen. Ich freue mich wie immer über aufmunternde Kommentare auf den Social-Media-Kanälen. Hier die wichtigsten Links:
Gefahren wird das Navad self-supported. Der Veranstalter bringt es in wenigen Sätzen auf den Punkt:
Das Navad-1000 ist eine „Bikepacking-Tour“.
Es gelten die üblichen Richtlinien und Ehrenkodexe der Bikepacking-Bewegung.
Die Regeln für das Navad-1000 sind ganz einfach. Es geht um Spass, um ein tolles Erlebnis, um die Ehre und um Fairplay. Falls Du die 1000 km nicht ohne fremde Hilfe schaffst, bleibst Du besser zu Hause.
Wenn ihr euch einen Eindruck von der Strecke und den Herausforderungen machen möchtet, dann kann ich das Video von Lael Wilcox (schnellste Frau und zweitschnellste Finishzeit überhaupt) wärmstens ans Herz gelegt:
Für mich ist das Navad 1000 eine ganz neue Erfahrung, da ich erstmals bei einem Ultracycling Event die Dauer von 2 Tagen definitiv und deutlich überschreiten werde, und somit nicht ohne „längere“ Schlafpausen auskommen kann. Der Streckenrekord aus dem letzten Jahr liegt bei 4 Tagen 4 Stunden und 51 Minuten – und das vom sehr schnellen und erfahrenen Tschechen Stěpán Stránský.
Meine Zielsetzung für die kommende Tage in absteigender Priorität:
Gesund bleiben (ohne dauerhafte Schäden – gefühllose Finger für ein paar Wochen, dicke Knie und ein wunder Hintern sind in Ordnung und zu erwarten 😉 )
Die Strecke / Landschaft genießen (hoffentlich spielt das Wetter mit)
Das Ziel erreichen (klingt banal – ist aber keine Selbstverständlichkeit)
Das Ziel innerhalb von 5 Tagen erreichen (eine riesen Challenge – aber das sollen Ziele ja sein)
Ich bin mit der Familie bereits am Donnerstag zu einem Campingplatz in der Nähe von Romanshorn angereist. So bleiben noch anderthalb Tage um runter zu kommen und mich mental auf die anstehende Herausforderung vorzubereiten. Nachdem wir die letzten Wochenenden immer unterwegs waren, und unter der Woche auch im Büro keine Langeweile aufkam, dringend nötig – rückblickend betrachtet war das volle Programm in letzter Zeit zwar genial aber wohl auch knapp an der Grenze dazu den Bogen zu überspannen…
Hier am Bodensee angekommen bin ich aber super motiviert das große Abenteuer Navad zu rocken. Ich freue mich auf die Begegnung mit anderen positiv Verrückten, die schöne Strecke, viele neue Erfahrungen und fiebere jetzt dem Start entgegen. Heute Morgen vor dem Frühstück bin ich die ersten Kilometer der Navadstrecke zur Einstimmung bereits locker abgefahren – der Bodensee ist im Sonnenaufgang einfach ein Traum.
Vielen Dank an dieser Stelle auch noch an ein paar Freunde, die mich mit Equipmentleihgaben versorgt haben: Roman Baltes (Spot GEN3 Tracker und Lupine Akkus), Mario Ebeling (Lupine Ersatzlampe fürs Depot) und Daniel Lambertz (Lupine Akkus). Der größte Dank gebührt aber meiner Frau Sandra, die die nächsten Tage Familienurlaub alleine mit den Kids bestreiten muss, und mich erst in Montreux wieder zu Gesicht bekommt.
Das Tapering läuft, in dem die letzten kleinen Trainingseinheiten dafür sorgen, dass die Fitness erhalten und der Körper trotzdem möglichst erholt an den Start gehen kann. Denn in wenigen Tagen ist es soweit und mein zweites großes Saisonhighlight steht mit dem Hero MTB Himalaya 2017 vor der Tür http://www.mtbhimalaya.com.
Doch das Hero MTB Himalaya ist viel mehr als ein MTB Etappenrennen für mich. Es ist ein Abenteuer abseits der ausgetretenen Pfade im Norden Indiens, bei dem Bikefans aus Indien und der ganzen Welt nicht nur um Platzierungen kämpfen, sondern auch eine intensive gemeinsame Zeit beim gemeinsamen Leben in den Camps am jeweiligen Ziel der 8 Etappen verbringen.
Ganz besonders freue ich mich darauf, dass mich auch mein Vater begleitet und von Etappenort zu Etappenort mitreist. Im Ziel angekommen, werden wir den Urlaub noch mit einer gemeinsamen mehrtägige Wandererung zum heiligen See Brighu (auf 4.300m Höhe) und zu guter letzt einem Besuch des Taj Mahals abrunden. Diesen Teil hat uns Sarah von http://www.chalo-reisen.de perfekt geplant. Zeit/Muße und Internetverbindung vorausgesetzt, werde ich hier im Blog ein kleines Tagebuch über unsere Erlebnisse schreiben.
Am Dienstag geht der Flieger und das Abenteuer nimmt seinen Lauf – die Vorfreude wächst 🙂
Ein Bericht zum Race Across Germany aus Sicht meiner Begleitcrew, die auch alle zum ersten Mal an einem Ultra Cycling Event teilgenommen haben, und deren Einsatz ich gar nicht hoch genug würdigen kann:
Andreas:
Wir hatten ja keine Ahnung auf was wir uns da eingelassen haben. Blauäugig wie wir waren dachten wir das werden zwei ziemlich langweilige Tage die wir da hinter Jochen her rollen. Vor allem Uta unsere Physiotherapeutin hatte sich auf viel Langeweile eingestellt, schließlich muss Jochen während dem Rennen sicher nur 2-4 Mal massiert werden. Aber es kam alles anders…
Der Morgen von Jochens Start verlief noch recht ruhig – wir hatten 30 Minuten am Startplatz um Jochen vorzubereiten – an unsere Vorbereitung hat dabei niemand gedacht. Der erste Stress für uns begann also direkt nach dem Startschuss – Jochen war längst hinter der ersten Kurve verschwunden und keiner wusste wie man das GPS dazu bringt den Streckenverlauf anzuzeigen oder darauf zu navigieren. Sämtliche Navigationsanweisungen waren ständig nur: “Macht einen U-Turn und fahrt zurück (zum Startpunkt?)”. Geistesgegenwärtig haben wir das Ersatz-Fahrrad-GPS angeworfen und waren von dem Zeitpunkt an wieder sicher auf dem richtigen Weg zu sein. Nur als nach 15 Minuten immer noch keine Spur von Jochen zu sehen war kamen wieder Zweifel – er kann doch nicht soooo schnell sein, oder doch? Er war so schnell…
Von da an verging die Zeit wie im Flug, Jochen hat stündlich etwas zu essen und zu trinken bekommen – je nach Verkehrslage und Straßenverlauf hat sich die Übergabe durchs Beifahrerfenster während der Fahrt auch mal über 10 Minuten hingezogen. Unserem Zeitgefühl konnten wir dabei nicht trauen – häufig war die Reaktion eher: “Schon wieder?” Uta hat neben der Fahrstilberatung und Optimierung die Dokumentation der zugeführten Kalorien, Pausen und Zwischenzeiten übernommen.
Das Laden der Geräte war definitiv eine Herausforderung. Im Nachhinein hätten wir uns farbkodierte Kabel (nach Steckertyp) gewünscht und eine Box für die zu ladenden Geräte. Der komplette Fußraum zwischen Fahrer und Beifahrersitz lag voll mit Geräten und es war nie klar ob gerade ein passendes Kabel frei ist oder der Ladevorgang eventuell unterbrochen wurde da das Kabel rausgerutscht ist. Immerhin war Jochen am zweiten Tag geistesgegenwärtig genug uns mittags daran zu erinnern, dass seine Lampe für die Nacht noch geladen werden muss – wir hätten den Lampenakku sonst vergessen.
Ein persönliches Low-Light war definitiv als ich übermüdet in der zweiten Nacht am Steuer des Wohnwagens hinter Jochen den Berg mit etwa 60 km/h hinunterfuhr und realisierte: Wenn er jetzt stürzt habe ich keine Chance rechtzeitig zu bremsen – ich würde ihn überfahren. Und Matze der gerade hinten im Wohnwagen in der Küche neue Fahrradflaschen füllt wird quer durch den Wohnwagen geschleudert – und die im hinteren Bett schlafende Uta bekommt dabei auch mehr als ein paar blaue Flecke ab. Was tun? Mehr Abstand halten? Mehr Abstand halten bedeutet aber auch, dass Jochen nicht mehr vom Fernlicht des Wohnwagens profitieren könnte und dementsprechend den Zustand der Straße eventuell nicht richtig einschätzen kann.
Ich hatte es mir zum Ziel gemacht Jochens Facebook Profil regelmäßig zu aktualisieren, was nicht immer so einfach war, da wir größtenteils Abseits großer Straßen und Städte unterwegs waren und wir häufig nur das mobile Steinzeit Internet (EDGE) nutzen konnten. Das Feedback seiner Freunde auf die Beiträge hat uns im Auto aber die Zeit vertrieben und Jochen definitiv motiviert – dank Sprechfunk haben wir ihn immer sofort über die neuesten Kommentare informieren können. Man war plötzlich nicht mehr alleine unterwegs, sondern alle seine Freunde waren bei uns. Dank Konferenzschaltung haben wir auch den einen oder anderen direkt telefonisch mit Jochen verbunden.
Die Verpflegung im Begleitfahrzeug: Wir hatten ja leider kein Begleitfahrzeug welches uns regelmäßig mit Essen versorgt hat, daher war ursprünglich der Plan, dass wir mit dem Wohnmobil irgendwo anhalten und uns etwas zu essen kochen. Wir haben das am ersten Tag probiert – ein schnelles Essen: lauwarme Maultaschen mit Ei. Wir haben über eine Stunde benötigt um Jochen wieder einzuholen – das heißt wir haben Jochen knappe 2 Stunden alleine gelassen – eine schlechte Situation für Jochen, da während der Zeit auch noch das Wetter umgeschlagen ist und er eigentlich eine Regenjacke benötigt hätte. Am zweiten Tag gab es morgens ein kurzes Müsli und ein schnell geschmiertes Brötchen – nachmittags haben wir irgendwann realisiert, dass wir ja eigentlich etwas essen sollten – ein weiteres Brötchen und ein paar Kekse waren dann alles für den Tag. Kaffee gab es auch keinen mehr, da Wasser so lange braucht zum Kochen. Beheizbare Kaffee-Thermoskannen wären eine super Idee gewesen.
Das Thema Schlaf: Welcher Schlaf? Wenn ich eins gelernt habe am Wochenende dann wie effektiv 15 Minuten Schlaf sein können – auch wenn man selber der Meinung ist man hat keine Sekunde geschlafen. Da wir jederzeit Fahrer und Beifahrer benötigt haben konnte immer nur einer Schlafen – rein rechnerisch standen also jedem knappe 3 Stunden Schlaf pro Nacht zu – und dies in einem fahrenden Wohnmobil. Das Einschlafen war eine echte Herausforderung, mein Gleichgewichtssinn hat ständig gemeldet: “Du fällst nach links, jetzt nach rechts, ne doch links…” und das Kopfkino hat sich überlegt was wohl bei einem Unfall mit mir passiert – nach zwei Stunden bin ich frustriert wieder aufgestanden – gefühlt ohne tatsächlich geschlafen zu haben. In der zweiten Nacht habe ich mich an die Wohnmobilwand gelehnt und das fallende Gefühl wurde besser, aber auch diesmal bin ich von selber wieder aufgewacht – lange bevor mein eigentliches Schlafkontingent erfüllt war.
Was für ein tolles Team wir waren und wie gut doch alles funktioniert hat, habe ich erst im Ziel realisiert als der Veranstalter mich ausgefragt hat wie die Stimmung von Jochen während der Fahrt war und ob es Zoff gab. Er erzählte mir das deswegen schon Teilnehmer abgebrochen haben oder Begleitfahrzeuge ihren Dienst eingestellt haben und der Fahrer aufgeben musste. Wir hatten ungelogen kein böses Wort während der ganzen Fahrt.
Ergänzung Matthias:
Als Jochen das erste Mal von seiner Idee berichtet hat, das RAG mitzufahren, war mir klar dass ich ihn dabei unterstützen muss. Dass es so ein stressiges langes Wochenende wird war mir nicht klar! Ich hatte sogar eine Zeitung im Gepäck um auftretende Langeweile zu bekämpfen – im Nachhinein eine wirklich lächerliche Annahme.
Wir drei im Begleitfahrzeug hatten wirklich immer gute Laune und haben uns gut ergänzt. Andy hat mit seinen Bildern und Facebook Posts einen wichtigen Beitrag zu Jochens Erfolg geleistet. Es hat mich regelmäßig überwältigt wie viel Anteilnahme und Support von der Facebook Gemeinde kam!
Mit Uta gab es unglaubliche Unterhaltungen und je müder wir wurden desto lustiger wurde es. Ihr hat es Jochen zu verdanken, dass er es so lange so gut auf dem Rad ausgehalten hat.
Jochen war ein guter Fahrer, ich habe mir im Vorfeld schon oft überlegt wie es sein wird wenn es nicht läuft, aber es lief gut und Jochen war zu jeder Zeit bereit seine Flüssignahrung aufzunehmen und Utas Anweisungen zu befolgen.
Nach der ersten längeren Pause musste ich Jochen mehrmals erklären, dass er nicht letzter ist, er war fest der Meinung während der Pause von allen überholt worden zu sein und der langsamste zu sein…irgendwann hat er es dann endlich eingesehen, dass er gut dabei ist und die anderen auch mal eine Pause machen, er will halt immer recht haben 😉
Am zweiten Tag habe ich Jochen ein paar Kilometer auf meinem Rad begleitet, wie gerne hätte ich ihm bei dem unglaublichen Gegen- und Seitenwind Windschatten gegeben, aber das war ja nicht erlaubt! Es hat mich fast zerrissen, ich hätte ihm so gerne mehr geholfen!
Das absolute Low-light waren manche Autofahrer die uns trotz Kennzeichnung auf dem Wohnmobil schimpfend und hupend überholt haben. Manche haben so leichtsinnig und unverschämt überholt, dass wir Jochen die letzten 20h nicht mehr vom Hinterrad weichen wollten. So konnten wir wenigstens verhindern, dass ihn jemand in den Graben fährt.
Die letzten Kilometer waren eine Qual für Jochen und es hat auch uns gequält das anzusehen, aber wir wollten alle nach Garmisch! Die Einfahrt dort war überwältigend, wir standen alle voll unter Strom und es war toll dass Jochen es innerhalb seiner Wunschzeit geschafft hat!
Zu sehen wie schlecht es ihm nach dem Zieleinlauf ging, war nicht schön, aber nach ein paar Stunden Schlaf sah er schon wieder besser aus.
Wir haben alle viel Zeit und Kraft in dieses Rennen investiert, Montags hat es sich so angefühlt, als hätte ich all meine Energie und Kraft an Jochen abgegeben – ich war total erledigt, aber trotzdem glücklich Jochen bei diesem Wahnsinn gut ins Ziel gebracht zu haben.
Race Across Germany – 1.100km – 7.500hm – 47h35min Einzelzeitfahren von Flensburg nach Garmisch
Bei meinem ersten Ultra Cycling Abenteuer wurde ich unterstützt durch „Bosch – My Insurance“ (www.bosch-my-insurance.de). Einen Bericht, den ich für das Bosch Intranet geschrieben habe, möchte ich auch gerne mit euch teilen, die mich über Facebook mit Durchhalteparolen unterstützt haben. Da die Mischung von Bildern und Text sich in Facebook Postings schwierig gestaltet ist dies auch mein erster Versuch mit WordPress 😉
Am 30.06. nach all der Vorbereitung war es dann endlich soweit und mein Team und ich standen gemeinsam mit 30 weiteren Teilnehmern an der Startrampe in Flensburg. Die Kurzzusammenfassung: es war verdammt hart, das Team ist alles, Mission accomplished.
Startrampe RAG 2017
Team Bosch My Insurance am Start
Die Details in fünf Akten hier im ausführlichen Bericht:
Die Challenge…
bestand darin die 1.100km als Einzelzeitfahren zu meistern. D.h. Windschattenfahren bei anderen Teilnehmern oder fremden Radfahrern war nicht gestattet – jeder Radler war mit seinem Begleitteam auf sich allein gestellt. Da es keine Einteilung in Etappen gab, konnte jeder Teilnehmer selbst entscheiden, ob und wie er seine Pausentaktik wählt. Da es meine erste Teilnahme an einem Ultra Cycling Rennen war und somit keine Erfahrungswerte zur Länge benötigter Schlafpausen und sonstiger Stopps vorhanden war, wurde im Vorfeld ein Plan auf Basis meiner Wunschzeit (48 Stunden) und Infos aus Erfahrungsberichten von Teilnehmern anderer Langstreckenevents erstellt. Konkret war meine Idee 5 längere Pausen (30-45min) für Massagen, Powernaps, Wartungsarbeiten am Rad und Kleidungswechsel zu nutzen, aber auch flexibel zu reagieren, wenn es die Situation erfordern würde.
Bosch Express
Und das tat sie…das Wetter war bereits zum Start von Dauerregen geprägt. Und dieser Dauerregen hielt auch die ersten ca. 28 Stunden mit nur kurzen Unterbrechungen an.
Dauerregen
So wurde die erste Pause deutlich nach hinten verlegt, da wir immer in der (unerfüllten) Hoffnung weiterfuhren, dass es bald zu regnen aufhören würde und ich nach der Pause mit frischer, trockener Kleidung aufs Rad steigen könnte. Schlussendlich wurde vor Einbruch der Dunkelheit dann doch eine längere Pause mit Massage, Fahrradwartung, Lichtmontage und Kleidungswechsel eingelegt, obwohl die trockenen Sachen bereits wenige Kilometer nach der Pause wieder durchnässt sein sollten. Die Stimmung im Team und meine Motivation waren bis zur Pause trotzdem gut, da wir außer einem platten Vorderreifen und leichten Scheuerstellen in den Kniekehlen bisher keine Probleme hatten und auch sehr gut im gesteckten Zeitplan lagen.
Nachtfahrt
So kämpften wir uns durch die Nacht (und das Bergland bei Kassel) und nach einer weiteren Massagepause im Morgengrauen, die ich auch für einen 5-minütigen Powernap nutzte wurde der zweite Tag eingeläutet.
Das Ziel…
die 48h Marke zu knacken (und damit die Qualifikationszeit zum Race Across America – RAAM – zu schaffen) war zu diesem Zeitpunkt noch realistisch, aber die ersten 600km im Dauerregen bei Temperaturen zwischen 10 und 15 Grad machten meinen Knien zusehends zu schaffen. Am späten Vormittag zeigte sich der Wettergott zwar von seiner gnädigen Seite und stoppte die Regenfluten (im Tausch gegen starke Seiten- und Gegenwinde), aber Schmerzen und eine Schwellung in den Knien ließen die Leistung deutlich sinken und der Zeitplan geriet immer mehr in Bedrängnis. Bei einer weiteren Physiobehandlung am Nachmittag war klar, dass das Ziel neu justiert werden musste und das neue realistische Ziel das Finish im Zeitlimit von 57h sein sollte.
Utas magische Hände
So ging es dann Kilometer um Kilometer durch die hügelige Landschaft. Die reduzierte Geschwindigkeit und der warme Wind waren zwar schlecht für die Moral, aber scheinbar gut für meine Knie. Die Schmerzen ließen im Laufe der Zeit wieder nach und mit nachlassendem Schmerz kam auch die Leistung und höhere Geschwindigkeiten zurück. So ging es in den Abend und als das Teilnehmer-Tracking mich nur noch wenige Kilometer hinter dem amtierenden Deutschen 24h-Mountainbikemeister (Fritz Geers) zeigten und wir ihn dann sogar überholen konnten, war im Kopf wieder alles im Lot und ich musste mich sogar zurückhalten, um nicht deutlich zu schnell in die zweite Nacht zu radeln – die 48h Zielzeit waren wieder in greifbarer Nähe! Dieses Hoch hielt bis nach Mitternacht an, aber mit zunehmender Belastungsdauer und vielleicht auch der Kühle der Nacht kamen die Schmerzen in den Knien wieder unbarmherzig zurück. Kurz vor der Morgendämmerung forderte dann auch die Müdigkeit schließlich ihren Tribut und beim Anzeichen erster Halluzinationen und Sekundenschlafattacken wurde sofort die letzte längere Pause und damit ein 15-minütiger Powernap eingelegt. Die letzten 70km und Höhenmeter nach Garmisch wurden dann zur wahren Herausforderung des RAG. Die Knie wollten nicht mehr, das schlechte Wetter kam mit Regen zurück und der Kilometerzähler bewegte sich nur noch unendlich langsam vorwärts. Doch auch diese Stunden gingen – vor allem dank meines super motivierenden Teams – vorüber und mit der Einfahrt in den Zielbereich direkt vor der Olympiaschanze in Garmisch hat mich mein Körper auch mit einer Endorphindusche der Extraklasse belohnt. Die Strapazen waren zumindest für einen kurzen Moment vergessen und verdrängt durch das überschwängliche Glücksgefühl das RAG auf Platz 4 gefinisht und mit 47h35min sogar mit einer Qualifikation fürs Race Across America beendet zu haben.
Im Ziel in Garmisch
Die Verpflegung…
kann man durchaus als eintönig bezeichnen. Um kein Risiko mit Magenproblemen einzugehen wurde – beginnend mit dem Frühstück vor dem Rennen – während des gesamten RAG komplett auf Flüssignahrung gesetzt. D.h. penibel überwacht durch mein Begleitteam habe ich jede Stunde eine 200ml-Mahlzeit (300kcal) Ensure Plus „genossen“. Ensure Plus wird normalerweise bei gesundheitlich eingeschränkten Menschen zur enteralen Ernährung verwendet und ist in 6 allesamt klebrig-süßen und nach 2 Tagen Dauerkonsum nur noch mäßig leckeren Geschmacksrichtungen zu haben 🙂
Dazu gab es dann immer noch eine Fahrradflasche kohlenhydratreiches Isogetränk – je nach aktuellem Empfinden mal mit, mal ohne Koffeinzusatz. Da ich während dem gesamten RAG keinerlei verpflegungsbedingte Beschwerden oder Schwächephasen hatte, würde ich jederzeit wieder auf diese Strategie setzen.
Nach so viel einseitiger Ernährung während der Belastung, muss im Ziel natürlich für Ausgleich gesorgt werden:
Regenerationsturbo im Ziel nach der Siegerehrung
Das Team…
ist neben einer guten körperlichen und mentalen Vorbereitung sicher der größte und nicht zu unterschätzende Erfolgsfaktor. Und ich hatte das beste Team, das man sich nur wünschen kann! Uta (Physio und Quell unerschöpflichen Wissens), Matthias und Andreas (je Wohnmobilfahrer, Mechaniker, Social Media Reporter, Fotografen, Mentalcoaches, …) hatten sich auf eine ziemlich langweilige Fahrt einmal längs durch Deutschland eingestellt. Bezeichnend, dass sie sich alle Studiumsunterlagen, Zeitungen und andere Ablenkung eingepackt hatten und meine größte Sorge im Vorfeld war eigentlich auch, dass sich die Crew zu Tode langweilt… doch nichts davon wurde wirklich gebraucht.
Gesamtes Team (von links): Andreas, Uta, Jochen, Matthias
Das Team war mit meiner Verpflegung aus dem fahrenden Wohnmobil, Fotos schießen, Navigation, Massagen, Fahrradwartung, Aufladen diverser elektronischer Geräte und meiner Motivation mehr als ausgelastet und kam kaum dazu sich um die eigenen Belange wie Schlaf und Essen zu kümmern.
Elektrosmog (kleine Auswahl) im Wohnmombilfußraum
So hat in der Nacht zwar immer ein Crewmitglied versucht im Wechsel zu schlafen, aber das Geheimnis wie man in einem fahrenden Wohnmobil auf kurvigen Landstraßen gespickt mit vielen Ortsdurchfahrten erholsamen Schlaf findet, konnte nur Uta erfolgreich knacken. Das wichtigste technische Equipment, das wir neben meinem Fahrrad dabeihatten, war definitiv das Hightech-Headset, mit dem ich trotz Fahrtwind ohne Störgeräusche in dauerndem Kontakt mit meiner Crew stand. Und die Crew gab alles, um mich mit motivierenden und zum Teil auch sehr humorvollen Gesprächen bei Laune zu halten. Uta – als Quell unerschöpflichen Wissens – konnte zu wirklich jedem noch so obskuren Thema die Diskussionen mit detailreichem Fachwissen anheizen und war mit ihren magischen Händen und umfangreichem physiotherapeutischen Know-How ein Garant für schnelle Regeneration und deutlich reduzierte Beschwerden. Andis regelmäßige Fotos und Facebookpostings führten zu vielfältigen Kommentaren und Unterstützung aus meinem Familien-, Bekannten-, Freundes- und Kollegenkreises, die vorgelesen durch meine Crew immer wieder die Füllung für die notwendigen Motivationsspritzen lieferten. Und Matthias – einer meiner engsten Freunde – behielt in jeder Situation den Überblick, war mit helfender Hand immer genau da, wo gerade Not am Mann war und ließ es sich nicht nehmen am Nachmittag des zweiten Tages auch ein paar Kilometer an meiner Seite aufs Rad zu steigen (einen Bericht aus Sicht des Teams gibt es unten in den Kommentaren zum Beitrag).
Wartungsarbeiten am Radler
Eine besondere Überraschung wartete am zweiten Tag in Person meines Mitarbeiters an der Strecke, der meine Position im Livetracking verfolgt hatte und sich als passionierter Radler für einige Kilometer unserem Team anschloss und mich auf dem Rad in der Nähe von Schweinfurt begleitete.
Ein Bosch Kollege
Mein Dank…
gilt zu aller erst meinen unschlagbaren Teammitgliedern, die jeder einzelne ihre Zeit, ihren Schlaf und jede Menge Energie in die Verwirklichung meines Traums investiert haben – und natürlich meiner Frau, die es mit einem leicht verrückten aushält. Ohne das Team wäre ich sicher nicht in Garmisch angekommen. Sie haben sich nicht zuletzt im Ziel, nachdem die Anspannung des Rennens abgefallen war, und ich mich für kurze Zeit dank Kreislauf- und Knieproblemen de Facto nicht mehr selbständig fortbewegen konnte, rührend um mich gekümmert. Dass das gemeinsame Erreichen des Ziels nicht selbstverständlich ist zeigt auch die Tatsache, dass knapp die Hälfte der Teilnehmer das Rennen – sicher auch wegen den schlechten Wetterbedingungen – vorzeitig beenden musste und nicht in Garmisch ankam.
Erwähnen möchte ich an dieser Stelle auch den top Support durch Bosch My Insurance, die sich von meinem Traum des Race Across Germany mitreißen ließen, und mich in vielfältiger Art und Weise unterstützt haben! We are Bosch 🙂